Empfindest du den Umgang mit negativen Emotionen auch als hohe Kunst?
Es ist Kunst, es ist ein Tanz, ein Balanceakt, es ist ein Weg. Und es braucht die Bereitschaft zu lernen und zu üben – und loszulassen und zu vergeben.
In diesem Beitrag beschreibe verschiedene Strategien und Methoden, die ich auf meinem Weg praktiziert habe. Relativ spät allerdings habe ich erst realisiert, dass diese Methoden wie Fahrzeuge sind, die mich in ein neues Land bringen können, dass das Land selbst aber von mir erschaffen wird – und nicht vom Fahrzeug (der Methode). Nur mit Akzeptanz, Mitgefühl und Liebe mir selbst gegenüber und mit der Bereitschaft mir zu vergeben kann ich nachhaltige Veränderung und Transformation bewirken.

Es rumort in dir? Wer kennt das nicht? Ausgelöst durch eine bestimmte Situation oder Begebenheit taucht ein „negatives“ Gefühl wie Angst, Wut, Traurigkeit oder Scham in uns auf. Es rumort in uns und instinktiv wissen wir vielleicht, dass das Gefühl von der gegebenen Situation nur ausgelöst wird und der Ursprung viel weiter in der Vergangenheit liegen muss. Dadurch hat diese Emotion für uns meist eine besondere Intensität, überwältig uns vielleicht und wir fühlen uns durch sie belastet. Die verständliche Reaktion unseres Verstandes ist nun meistens: wir wollen die negativen Gefühle so schnell wie möglich loswerden. 

Und in diesem Bestreben können wir leicht in zwei Extreme fallen:
(1) Wir versuchen, das Gefühl zu ignorieren, drängen es weg, verdrängen es oder
(2) wir gehen voll in das Gefühl hinein, drücken es aus, in der Hoffnung, dass wir es dadurch aktiv aus unserem System entfernen können. 

Dies sind die beiden Strategien, mit denen ich vor vielen Jahren begonnen habe. Sie sind nicht grundsätzlich falsch, denn beide haben – wie alles in dieser dualen Welt – eine Licht- und eine Schattenseite. So ist es z.B. manchmal durchaus von Vorteil, wenn man in der Lage ist, ein Gefühl ignorieren zu können, wenn die Situation gerade überhaupt keinen Raum dafür lässt und etwas anderes gerade die volle Aufmerksamkeit braucht. Eltern erleben dies in verschiedenen Alltagssituationen mit ihren Kindern. Auf der anderen Seite wird ein verdrängtes Gefühl entweder mit immer größerer Intensität in anderen Situationen unerwartet wieder auftauchen oder es wird so weit verdrängt, dass es tatsächlich nicht mehr in dieser Art auftaucht. Allerdings ist an das abgekapselte Gefühl  meist ein Teil unserer Kraft und Lebendigkeit gebunden, und diese Kraft fehlt uns dann im Leben und das kann unsere psychische und körperliche Gesundheit beeinträchtigen. 

Auch die zweite Variante – voller Gefühlsausdruck – hat ihre zwei Seiten. Nachdem ich in meiner Jugend meine Gefühle soweit wie möglich ignorierte und verdrängte, war es Anfang Zwanzig für mich ein großer und befreiender Schritt, in Selbsterfahrungsgruppen und bei aktiven Meditationen ermutigt zu werden, alle Gefühle zu spüren und auszudrücken. So viel Kraft kam zu mir zurück, als ich lernte, meine Wut und meinen Schmerz auszudrücken und die wichtige Erfahrung machte, dass das auch von anderen ausgehalten wird. Es war klar, die Zeit des Ignorierens und Zurückhaltens ist für mich nun vorbei. Allerdings veränderte sich mein Gefühl, alten Ballast mit mir herumzuschleppen, nur wenig. Ich bekam gar nicht richtig zu fassen, was dieser Ballast eigentlich war und was hinter ihm steckte. Und durch das Reingehen und Ausdrücken bekam ich ihn offenbar auch nicht los. Erst rund 25 Jahre später habe ich verstanden, warum ich meine negativen Gefühle dadurch nicht transformieren und auflösen konnte. Doch dazu komme ich gleich. Ich möchte erst kurz erzählen, welche weiteren Möglichkeiten, mit Gefühlen umzugehen, ich auf meinem weiteren Wachstumsweg entdecken, lernen und ausprobieren durfte. 

Ich verspürte damals schon einen starken Ruf nach innerem Wachstum und nach Befreiung von meinem inneren Gepäck. Und so war es kein Wunder, dass Anfang Dreißig eine neue Tür aufging in eine Welt, die mir (zumindest in diesem Leben) bisher unbekannt war: die schamanische Welt. Hier warteten auch in Bezug auf den Umgang mit meinen Emotionen neue Möglichkeiten, die auf dem aufbauten, was ich bisher gelebt hatte. Mein damaliger Lehrer Carlo Zumstein hat einen Transformationsprozess namens „Seelenzentrierung“ entwickelt, den ich in den nachfolgenden Jahren unzählige Male selber durchlief – unter Anleitung oder alleine. Das Zulassen und Spüren einer Emotion ist auch hier die Voraussetzung, um damit arbeiten zu können. Ein weiterer wichtiger Schritt ist es, von außen auf die vergangene schmerzhafte Situation zu schauen, die zu diesem Gefühl auftaucht, und diese genauso zu würdigen und anzuerkennen, wie sie war und zu sehen, dass alle Beteiligte damals ihr Bestes gegeben haben. Dadurch wird ein Vergebungsprozess eingeleitet und das innere Bild der vergangenen Situation hellt sich dadurch meist auf, es fühlt sich leichter an. Bei einer „Seelenzentrierung“ geht es dann im nächsten Schritt darum, die Kraft zurückzunehmen, die in dieser vergangenen Situation gebunden war und um Heilung für alle Beteiligten zu bitten. 

Diese Methode ist sehr kraftvoll und hat mir viel Erleichterung gebracht. Und trotzdem gab es negative Gefühle, die bei mir immer wieder auftauchten und bei denen ich auf diese Weise irgendwie nicht weiterkam. 

Jahre später tauchte eine weitere Methode auf, die wie die Seelenzentrierung ebenfalls irgendwo in der Mitte zwischen den eingangs beschriebenen Extremen liegt. Es war eine Methode nach Michael Brown. Man nimmt im Rahmen einer stillen Meditation die Position eines stillen, neutralen Beobachters ein, der das innere Geschehen einfach wahrnimmt, ohne ihm viel Energie oder gar Macht zu geben. Das Üben dieser Methode war ein sehr wichtiger Schritt auf meinem Wachstumsweg. Stille Meditation bekam dadurch eine weitere wichtige Bedeutung. Ich hielt mich an Michael Browns Empfehlung und verpflichtete mich eine Zeit lang mir selbst gegenüber, diese Methode täglich anzuwenden. So bekam ich zu manchen Gefühlen einen viel tieferen Zugang, was sehr berührend war. Auch die Fähigkeit, die Perspektive eines neutralen Beobachters einnehmen zu können, war und ist unglaublich wertvoll. Nach einiger Zeit des Übens gelang mir das Beobachten meiner Emotionen nun auch immer besser im Trubel des Alltagsgeschehen. 

Allerdings fragte ich mich irgendwann auch hier, ob dadurch wirklich die Transformation geschieht, die ich mir so sehr wünsche. Lösen sich die alten negativen Gefühle und die Blockaden, die in meinem System gespeichert sind, wirklich dadurch auf, dass ich sie quasi von außen möglichst neutral beobachte? Ich zweifelte daran, denn manche negativen Emotionen tauchten einfach scheinbar unverändert immer wieder auf. Ich wurde ungeduldig. Es dauerte mir zu lange! Doch diese Ungeduld war der Haken. An dieser Ungeduld erkannte ich, dass ich beim Beobachten nicht wirklich neutral gewesen war, sondern dass ich das Beobachtete eigentlich subtil abgelehnt hatte und loswerden wollte – verständlicherweise. 

Später wurde mir klar, dass dies ein entscheidender Wendepunkt auf meinem Wachstumsweg war. Es war die Erkenntnis, dass eine negative Einstellung dem Gefühl gegenüber ein nachhaltiges Auflösen des Gefühls erschwert oder sogar verhindert – egal welche neue vielgepriesene Methode ich noch finden würde! Mir wurde klar, dass eine nachhaltige tiefe Transformation nur dann geschehen kann, wenn ich meine negative innere Haltung zu meinen negativen Emotionen in eine positive, verständnisvolle, mitfühlende und liebevolle Haltung ändern konnte. 

Daraufhin drehte ich den Spieß um und konfrontierte ich mich mit der Frage, was denn wäre, wenn meine negativen Emotionen mich bis zu meinem Lebensende begleiten würden. Eine wichtige Frage! Die Antwort kam sofort zu mir: ich mochte nicht mehr kämpfen. Das Kämpfen ergab dann einfach keinen Sinn mehr. Frieden zu schließen war der einzige Weg. Doch ich fühlte mich überfordert. Wie sollte ich mit Emotionen wahrhaftig Frieden schließen, wenn ich so doch völlig inakzeptabel finde? 

Wenig später durfte ich lernen, dass der Schlüssel zu diesem inneren Frieden Vergebung heißt. Mit Vergebung konnte ich bis dahin nicht viel anfangen, ich hatte Vorurteile, die mir den Zugang zu Vergebung erschwerten. Doch durch meinen Entschluss, nicht mehr gegen meine Neurosen kämpfen zu wollen, war ich nun bereit, Vergebung neu zu entdecken. 

Ich lernte Ho‘oponopono als Methode der Vergebung kennen. Aber es ist nicht die Methode selbst, die Vergebung „machen“ kann. Vergebung ist eine innere Haltung, Vergebung ist Gnade. Ho‘oponopono half mir, mich für Vergebung zu öffnen und doch geschah sie in der Tiefe erst dann, als ich wirklich bereit dazu war. Und das ist keine Verstandessache mehr. 

Mich mit Hilfe eines Onlinekurses zu Vergebung von Laura Seiler auf einen tiefgreifenden Vergebungsprozess einzulassen, veränderte meine gesamte innere Welt. Es war erschütternd für mich, festzustellen, wie viel neues Leid ich durch mein Kämpfen immer wieder neu erzeugt hatte. Und ich war unendlich dankbar, dass ich diesen Schlüssel der Vergebung gefunden hatte – auch wenn ich den Weg durch das Tor der Vergebung letztendlich nicht mit dem Verstand erfassen konnte. 

Aber ich konnte nun tief in mir spüren, was Frieden überhaupt bedeutet. Durch die Bereitschaft mir und anderen zu vergeben, kann Frieden entstehen. Erst wenn ich mich für inneren Frieden öffnen kann, kann wahrhaftiger äußerer Frieden entstehen, Frieden in Beziehungen, in Familien, in Freundeskreisen, in Gemeinden, … Es beginnt alles damit, dass ich mit mir Frieden schließe  – mit allem, was in mir ist, mit allem Hellen und mit allem Dunklen, egal wie inakzeptabel es vielleicht zunächst scheint. 

Der Druck, den ich mir machte, meine Altlasten loszuwerden, nahm ab. Ich begann, mich in meiner Unvollkommenheit trotzdem vollkommen zu fühlen. Meine Perspektive auf mich und meine Vergangenheit veränderte sich grundlegend. Alles ergab nun Sinn. Denn das Wundervolle ist, dass in jeder meiner bisherigen schmerzhaften Erfahrungen, in jedem unangenehmen Gefühl ein Schatz verborgen war, der all die Jahre nur darauf wartete, von mir entdeckt und gehoben zu werden. Alles hat mich auf wundersame Weise genau an diesen Punkt geführt, an dem ich heute bin. Es hat mich auf die Aufgabe vorbereitet, die heute auf mich wartet. Wie erleichternd das war! Ich erlaubte mit endlich auf einer tiefen Ebene loszulassen. Nun war tiefe Transformation und Heilung möglich. 

Dieser innere Shift – weg vom Kampf gegen sich selbst, hin zu Frieden – ist aus meiner Sicht die entscheidende Grundlage für die Wirksamkeit all jener Methoden, die eine Transformation von belastenden Emotionen und negativen Glaubenssätzen versprechen. Genau genommen ist es damit wohl gar nicht die Methode selbst, die Veränderung bewirkt, sondern maßgelblich unsere innere Haltung bei der Anwendung, die einen Selbstheilungsprozess in Gang setzt, welcher jenseits unseres Verstandes abläuft. 

Nun war ich auch wieder offen für neue Methoden. Ich konnte ihnen eine angemessene Bedeutung geben. Sie sind einfach wie Fahrzeuge, die uns in ein neues Land bringen können. Aber wir würden doch nie auf die Idee kommen, dass das Fahrzeug das neue Land auch erschaffen kann. Das neue Land entsteht, wenn wir bereit sind, Frieden zu schließen, wenn wir unsere Perspektive auf uns und auf unsere Vergangenheit ändern, wenn wir vergeben und loslassen und das Wunder erkennen, dass das Leben in seiner Unvollkommenheit immer schon vollkommen war. 

In dieser Phase meines Weges tauchte ein neues Fahrzeug auf – ein Fahrzeug, das genau auf mich zugeschnitten zu sein schien. Es war groß genug, um mich mit ALLEN bisherigen Erfahrungen und Methoden aufzunehmen und mitzunehmen in mein neues Land. Und dieses Fahrzeug heißt EFT (emotional freedom techniques). Wenn ich EFT für mich oder meine Klienten anwende, kann alles einfließen, was ich bei all den anderen oben beschriebenen Methoden gelernt hatte. Daher ist EFT für mich so groß, dass es mich immer wieder mit Staunen erfüllt. 

Wie EFT bei mir wirkt und wie ich in meinen Coachings damit arbeite, beschreibe ich in einem weiteren Blogbeitrag und auf der Seite „EFT-Sessions“.